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Ganze 17 Titel schwer und knapp 80 Minuten lang ist das Erstlingswerk der fünfköpfigen Band VERSTÄRKER aus München. Wer sich darauf einlässt, erlebt mit ‚B-Seiten' einen beeindruckenden Trip durch neue Klangsphären, zwischen Indiepop und Avantgarde mit lyrischen Elementen. Im Wechsel werden Spannungen auf- und abgebaut, wie bei einer Achterbahnfahrt in Zeitlupe.
Es geht los mit dem neunminütigen Opus ‚Die neue Traurigkeit'. Von verzerrten, teils extatischen E-Gitarren-Parts, bis hin zu schwebenden Sound-Passagen, kommt der Song in feiner Pink-Floyd-Tradition, aber mit eigener Note daher. Nahtlos schließt sich ‚Storm' an, in dem Gitarrist und Sänger Roberto Cruccolini das Gedicht ‚Die Stadt' von Theodor Storm äußerst gelungen vertont. Nach der Popnummer ‚Kollege Bob' und dem düsteren ‚Scharzer Krauser', folgt der erste von zwei Songzyklen des Albums: ‚Solaris'. Schlicht mit ‚Solaris I bis IV' betitelt, taucht die Band ab in - wenn man an den Namensgeber Stanislav Lem denkt - futuristische Tiefen.
Die meist melancholische Stimmung der Lieder spiegelt sich nicht nur im Wettstreit zwischen Melodie und Geräusch, sondern auch im Versuch der Songstrukturzersetzung und der Klangkonstruktion wieder. Solche Ambivalenzen und das Streben, diese im Spannungsfeld von Atmosphäre und Dynamik zu verorten, sind elementare Bestandteile des Konzepts von Verstärker.
Hitverdächtig-poppig kommt ‚Scheinen' daher, das die Brücke zum nächsten Zyklus baut: Während ‚Einschlafen' noch geprägt ist von seicht dahinfließenden Synthie-Strömen, steigert sich ‚Träumen' bis hin zur Sound-Explosion in bester ‚Mogwai'-Manier. ‚Traumeln' fügt sich sanft an und setzt das Thema fort, wie auch ‚Aufwachen'. Nach ‚Goldmundswelt' und ‚Manhattan Classic' wird das große Finale von ‚B-Seiten' eingeleitet: ‚Lyrik, Teil 1'. Musikalisch grandios umgesetzt, wird hier ‚Weltflucht' von Else Lasker Schüler auf innige, hypnotische Weise vorgetragen. ‚Lyrik, Teil 2' beendet das Werk mit einem instrumentalen (!) Siebeneinhalb-Minuten-Indierock-Feuerwerk - was für ein Album!
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